Forschen unter Hochspannung

Sichere Stromautobahnen für die Energiewende

29.11.2022 von

Wie kann die Energiewende auch technisch gelingen? etit-Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Yvonne Späck-Leigsnering erforscht den dafür notwendigen Wandel der energietechnischen Infrastruktur und mögliche Schwachstellen. Die Wissenschaftlerin will Produkte und Systeme mit Hilfe mathematischer Modellierung und Feldsimulationen zuverlässiger und robuster machen. Ein Beispiel sind kabelbasierte Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungssysteme (HGÜ), die etwa Strom aus Windenergie störungsfrei über weite Strecken transportieren sollen.

Oftmals sind es die kleinen Dinge, die entscheidend sind. Kabelmuffen beispielsweise, die zwei Kabelabschnitte elektrisch miteinander verbinden. Für den SüdOstLink, die geplante „Stromautobahn“, mit der Energie von Sachsen-Anhalt nach Bayern fließen soll, spielen diese Bauteile eine gewichtige Rolle. Auf einer Strecke von mehr als tausend Kabelkilometern sind deutlich mehr als 500 dieser Verbindungselemente nötig.

„Kabelmuffen sind aber die kritischste Komponente“, sagt Elektrotechnik-Ingenieurin Dr.-Ing. Yvonne Späck-Leigsnering. Sie sind das anfälligste Bauteil des gleichstrombasierten Kabelsystems. „Überhitzungen, Teilentladungen oder Durchschläge können in diesen spannungsführenden Bauteilen zum Problem werden.“ Der Ausfall einer einzigen Muffe kann jedoch zu einer erheblichen Ausfallzeit der gesamten Verbindung führen, erläutert die Forscherin.

Dr.-Ing. Yvonne Späck-Leigsnering,
Fachgebiet Theorie Elektromagnetischer Felder

Der Klimawandel zwingt zu einem radikalen Umbau der elektrischen Energieerzeugung, ihrer Übertragung und Umwandlung.

Langlebige robuste Kabel

HGÜ-Kabelsysteme sind ein bedeutender Teil der notwendigen Transformation. Sie müssen eine lange Lebensdauer haben, zuverlässig und widerstandsfähig sein, so die 33-Jährige, die die Forschungsgruppe „QuinCE – Quasistatics in Computational Engineering“ am Institut für Teilchenbeschleunigung und elektromagnetische Felder (TEMF) der TU Darmstadt leitet. In Zeiten, in denen Ausrüstung und Systeme immer öfter bis an die Belastungsgrenze betrieben werden, werden grundsätzlich neue, simulationsbasierte Entwurfsansätze in der Entwicklung benötigt.

Die Forscherin sucht nach Lösungen. So spürt sie mit Hilfe mathematischer Modellierung und Feldsimulationen beispielsweise den Einflüssen und Ursachen nach, die zu den Ausfällen führen. Simulationsanalysen werden mit experimentellen Untersuchungen im Hochspannungslabor kombiniert. Feldsimulationen ermöglichen dabei einen Einblick in das Innere des Gerätes, wie etwa der Kabelmuffe. So können elektrische und thermische Belastungen räumlich und zeitlich aufgelöst analysiert werden. Sensitivitätsanalysen ermöglichen es dann, Schwachstellen und wichtige Designparameter zu erkennen. Dafür müsste man sonst erst einmal hundert Muffen-Designs im Hochspannungslabor untersuchen.

Ein Ziel ihrer Forschung ist es, Ingenieurinnen und Ingenieuren Feldsimulationswerkzeuge zur Optimierung von Kabelmuffen und anderen elektrotechnischen Geräten, wie elektrischen Maschinen, an die Hand zu geben. Ein Thema, an dem sie seit 2020 auch in einer Forschungskooperation mit der TU München arbeitet.

Für ihre Masterarbeit wurde Yvonne Späck-Leigsnering mit dem Heinrich und Margarete Liebig-Preis ausgezeichnet. Sie erhielt außerdem das Ernst-Ludwigs-Stipendium der Vereinigung der Freunde der TU Darmstadt und wird als Athene Young Investigator von der TU Darmstadt gefördert.