Zwillinge in der Smart Factory

Forschungskolloquium über Industrie 4.0

2020/09/24 von

Unser nunmehr viertes Forschungskolloquium – gleichzeitig unser zweites Kolloquium, das digital ausgetragen wurde – widmete sich dem Thema Industrie 4.0. Prof. Dr.-Ing. Reiner Anderl vom Fachbereich Maschinenbau sowie Dr.-Ing. Marco Münchhof von der Eckelmann AG präsentierten rund 50 Themeninteressierten die Herausforderungen, Möglichkeiten und Anekdoten aus dem Bereich der digitalisierten Produktion.

Quelle: Jason Armstrong
Quelle: Jason Armstrong

Als Fachbereich für Elektrotechnik und Informationstechnik kommen wir an dem Thema Industrie 4.0 kaum vorbei. Die Idee, mittels Vernetzung und Orchestrierung von Fertigungsmaschinen eine neue Dimension von Smartness zu erreichen, ist dabei ebenso komplex wie vielversprechend. Jedoch darf nicht übersehen werden, wem der ganze Forschungsaufwand rund um Interoperabilität, digitalen Zwillingen und Referenzarchitekturmodellen eigentlich gilt: Den Endkundinnen und Endkunden. „Das ist der eigentliche Trick“, sagte Prof. Dr.-Ing. Reiner Anderl durch die Webcam. „Automatisierung ist kein Selbstzweck, sondern notwendiges Mittel, höhere Flexibilität zugunsten der Kunden zu erreichen.“

Wer hat’s erfunden und quo vadis

Dabei ist auch der Begriff „Industrie 4.0“ kein Selbstzweck, sondern unter anderem politische Systematik: „Wie kann man der Gesellschaft die Idee einer smarten Wertschöpfungskette verständlich präsentieren?“, fragte Anderl, und klärte sodann die Etymologie – also die Wortherkunft – von „Industrie 4.0“. Es war Henning Kagermann vom Verein Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech), der den Begriff austüftelte, als die Bundesregierung im Jahr 2012 auf ihn zuging, um Deutschlands High-Tech Strategie 2020 voranzutreiben. Kagermanns Idee bestand in einem prägnanten Oberbegriff, der nicht nur die vorangegangenen industriellen Revolutionen in sich einschließt, sondern auch auf eine Revolution referiert, die noch kommen soll. Das Wort „Industrie 4.0“ war geboren.

Anderl berichtete auch vom internationalen Wettbewerb rund um Industrie 4.0. Dieser habe längst Fahrt aufgenommen und die Gründung weltweit agierender Konsortien veranlasst: So zum Beispiel Amerikas Industrial Internet Consortium, gegründet 2014, in dem hochkarätige IT-Konzerne über die Zukunft des industriellen Internets konferieren. China schickt das sogenannte Made in China 2025 ins Feld, gegründet 2015, und Deutschland die Plattform Industrie 4.0, gegründet 2013.

Big Data versus Right Data

Der zweite Vortrag von Dr.-Ing Marco Münchhof von der Eckelmann AG beleuchtete das Thema aus Sicht des unternehmerischen Mittelstandes. Als ein Umsetzungsbeispiel der Industrie 4.0 nannte Münchhof das sogenannte Virtus Caelum, eine digitale Lösung für Kälte- und Gebäudeautomation. Als digitales System regelt Virtus Caelum die Kühlung von Supermärkten, inklusive Ferndiagnose, Dokumentation von Störungen, Remote-Zugriff und grafischer Visualisierung – sozusagen Kältetechnik 4.0.

Eine wiederkehrende Verfehlung ist, wie Münchhof sagte, das bedenkenlose „Wegspeichern“ von Daten, die in solchen Systemen en masse anfallen: Um nicht zum “Daten-Messie“ zu werden, ist eine maschinelle Vorverarbeitung der Sensordaten notwendig. „Daten sollen nicht einfach weggespeichert, sondern in einen Kontext gesetzt werden.“ Die Überschrift von Münchhofs Präsentationsfolie brachte es auf den Punkt: „It’s not about big data. It’s about right data.“

Maschinenbau und Elektrotechnik – die perfekte Symbiose

Es folgte die Podiumsdiskussion. Auf die Frage, wie wir als Fachbereich etit, unsere Forschung und Lehre an die Herausforderungen der Industrie 4.0 angleichen können, nannte Anderl unseren Studiengang Mechatronik als passende Anlaufstelle. „Wir haben da eine ganze Reihe von Potenzial“, sagte er. „Maschinenbau und Elektrotechnik sind genau die Themen, die auch in der Industrie 4.0 gebraucht werden. Unsere Mechatronik bietet genau das.“