Neue Biosensoren für die Diagnostik
Proof of Concept: Professor Koeppl erhält 150.000 Euro vom Europäischen Forschungsrat
28.04.2020
etit-Professor Heinz Koeppl ist als einer von zwei Wissenschaftlern der TU Darmstadt vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem „Proof of Concept”-Grant in Höhe von 150.000 Euro ausgezeichnet worden. Er erhält den Preis für sein Projekt „LONGSENSE”, bei dem es um die Entwicklung eines einfachen, günstigen und vielseitigen Verfahrens zum Aufspüren von Krankheits-Indikatoren geht.
TU Darmstadt: Herr Professor Koeppl, der Europäische Forschungsrat ERC hat entschieden, Ihr Proof-of-Concept-Projekt „LONGSENSE – A novel biosensor for IncRNA“ mit 150.000 Euro zu fördern. Worum geht es inhaltlich bei dem Projekt?
Professor Heinz Koeppl: In LONGSENSE geht es um ein neues Detektionsverfahren für lange nicht-kodierende RNA-Moleküle (lncRNA), welche sich in den letzten Jahren als indikativ für Krankheiten aus diversen Kategorien erwiesen haben. Dazu zählen beispielsweise neurodegenerative Krankheiten, Herz-Kreislauferkrankungen oder auch mehrere Formen von Krebs.
Dem Verfahren liegen spezielle, kleine RNA-Strukturen (STARs – small transcriptional activators) zugrunde, die in der Präsenz der entsprechenden lncRNA die Gentranskription aktivieren können. Damit kann zum Beispiel die Expression eines fluoreszierenden Reportermoleküls für die optische Detektion einfach gesteuert werden. Standardisierte zell-freie Expressionssysteme sollen als Plattform für diese Reaktionen dienen. Die dedizierten STARs werden in LONGSENSE mit Hilfe von biophysikalischen Simulationen und auch mit Hilfe tiefer neuronaler Netze entworfen und optimiert.
PoC-Projekte sollen dazu beitragen, ein Forschungsergebnis aus einem ERC Grant-Projekt in die Praxis zu tragen. Was ist der Bezug des PoC-Projekts zu Ihrem ERC-Grant-Projekt CONSYN? An welcher Stelle Ihrer Forschung haben Sie gemerkt, dass hier Potenzial für Technologie-Transfer existiert?
Die angesprochenen STAR-Regulatoren werden in meinem ERC-Projekt CONSYN zum Aufbau von genetischen Logikschaltungen für die Synthetische Biologie verwendet. Es hat sich in CONSYN gezeigt, dass STARs sehr gut mit Computermethoden entworfen und mit zell-freien Expressionssystemen kombiniert werden können. Kollegen in den USA haben in den letzten Jahren gezeigt, dass man mit solchen Expressionssystemen sehr einfach kostengünstige Biosensoren zur Einweg- oder Labordiagnostik konstruieren kann. Die beiden Handlungsstränge führten zu dieser Transferidee.
Worin liegen die medizinischen Chancen Ihrer Forschung, die nun mit dem Projekt LONGSENSE Richtung Marktreife entwickelt werden soll? Was für konkrete Anwendungsmöglichkeiten sehen Sie mittel- oder langfristig?
Aktuell ist PCA3 für Prostatakrebs der einzige zugelassene lncRNA-basierte Biomarker. Zurzeit befinden sich mehrere lncRNAs in fortgeschrittenen klinischen Studien oder bereits im Zulassungsprozess. Es ist also abzusehen, dass es in Zukunft in der Labordiagnostik oder eben auch in der alltäglichen Arztpraxis vermehrt Bedarf an kostengünstigen und schnellen Tests für lncRNAs geben wird. Durch seine Einfachheit was Laborinfrastruktur anbelangt und Parallelisierbarkeit kann ein solcher Test eine attraktive Alternative zu traditionellen Testverfahren basierend auf qPCR darstellen.
Das vorgeschlagene molekulare Prinzip lässt sich auch auf die Detektion anderer RNAs, zum Beispiel viraler RNA, übertragen. Für die medizinische Anwendung kann auf eine existierende Kollaboration mit dem Baylor College of Medicine, USA zurückgegriffen werden. Die Firma Merck bekundete ihr Interesse an dem Detektionsverfahren und unterstützte den Antrag durch eine Absichtserklärung.
Die Fragen stellte Silke Paradowski
Zur Person
studierte Physik an der Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich. In einer Kooperation mit Infineon Technologies promovierte er 2004 in Elektrotechnik an der Technischen Universität Graz. Nach Postdoc- Aufenthalten an der UC Berkeley und der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) wurde er 2010 als Assistenzprofessor an die ETH Zürich berufen. Im Jahr 2013 gründete und leitete er zusätzlich die Systembiologiegruppe bei IBM Research Zurich. Seit Januar 2014 leitet er das Fachgebiet Bioinspirierte Kommunikationssysteme am Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Darmstadt und ist Zweitmitglied am Fachbereich Biologie. 2017 zeichnete der Europäische Forschungsrat ERC Koeppl mit einem „ERC Consolidator Grant“ aus und förderte sein Projekt Heinz Koeppl mit zwei Millionen Euro. „CONSYN – Contextualizing biomolecular circuit models for synthetic biology“
Proof of Concept
Proof of Concept ist ein ergänzender Grant zu den Forschungsgrants des ERC. Er richtet sich ausschließlich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die bereits einen ERC Grant innehaben und ein Forschungsergebnis aus ihrem laufenden oder bereits abgeschlossenen Projekt vorkommerziell verwerten möchten. Dies ist der erste Schritt zum Technologie-Transfer. Ziel eines Proof-of-Concept-Projektes soll es sein, das Marktpotential einer solchen Idee zu überprüfen. Der ERC finanziert hiermit also keine Forschungsaktivitäten, sondern Maßnahmen zur Weiterentwicklung im Hinblick auf die Anwendungsreife, Kommerzialisierung oder Vermarktung der Idee. In der jüngsten Förderrunde wurden mit einem ERC Proof of Concept grant ausgezeichnet. Die Grants sind Teil des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der EU. 55 Forscherinnen und Forscher aus 17 Ländern