Über 5G und Zucker
Neue Überlegungen zur Quantität und Qualität von Daten
05.09.2019 von mam
Mit dem noch jungen Funkstandard 5G entstehen weitere Fragen der Datenübertragung. Für vernetzte Drohnen und autonome Autos ist 5G ein Segen, sowie für die Forschung ein neues Terrain. Und: Die Balance zwischen Datenqualität und –quantität ist auch im 5G-Diskurs höchst relevant.
In der Industrie 4.0 ist das Thema Vernetzung entscheidend. Und wo es Vernetzung gibt, da entstehen Daten. Aus Daten lassen sich schier unerschöpfliche Gewinne generieren, doch hat auch dieser Rohstoff seine Kehrseite: Daten müssen übertragen werden. Übertragungen beanspruchen Bandbreite. Bandbreite kostet Geld.
Die Formel ist simpel: Mehr Daten gleich Mehr Verarbeitung. Im Zuge von zeitkritischen Anwendungen wie vernetzten Drohnen steigt mit höherer Netzauslastung die Latenz, also die Verzögerung zwischen Ereignis und Reaktion. Schlimmstenfalls können Drohnen ihre Kommunikation „verschlafen“ und miteinander kollidieren, sogar abstürzen. Doch lassen sich Probleme dieser Art lösen, indem man die Datenübertragung schlank hält und auf Agilität eicht. Das kommt auch der Bandbreite zugute.
Der Mehrwert von Daten entsteht durch ihre Anbindung ans Netz
Hier kommt die Forschung von Professorin Anja Klein, Herrn Kilian Kiekenap M. Sc. und Doktor Hussein Al-Shatri ins Spiel. Herr Kiekenap und Herr Al-Shatri sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Fachgebiet Kommunikationstechnik und beschäftigten sich unter der Mentorenschaft von Anja Klein, Leiterin des Fachgebiets Kommunikationstechnik, mit einem Übertragungsmodell, das die oben erwähnte Agilität realisiert. Tragendes Element ist die sogenannte Quantisierung.
Bei einer Quantisierung werden – vereinfacht gesagt – Messwerte in Intervalle eingeteilt, was das Messen von feingranularen Dingen erleichtert. Beispielsweise ist das Zählen von Zuckerwürfeln einfacher als das Zählen von Puderzucker. Sozusagen sind Zuckerwürfel der quantisierte Zucker. Tatsächlich ist die Quantisierung ein universelles Konzept, das wir in allen nur denkbaren Bereichen des Lebens finden: Fahrstühle quantisieren Höhenmeter zu Etagen, Kabelbinder quantisieren Kabel zu Kabelsträngen, und die Wettervorhersage quantisiert die unzähligen Facetten unseres Wetters in prägnante Aussagen wie: Sonnig, bewölkt, Regen und Gewitter.
Je nach Anwendungsfall lässt sich der Detailgrad hoch- und runterjustieren
Der Einsatz von Quantisierung geht mit einem Kompromiss einher. Denn: je gröber die Daten quantisiert werden, desto mehr Spielraum für Interpretationen steht zur Verfügung. Werden also die Daten, die der Sensor sammelt, vor ihrer Übertragung quantisiert, dann ist es Aufgabe des Empfängers, aus den vereinfachten Daten einen Aussagewert zu errechnen, der dem Aussagewert der ursprünglichen, nicht vereinfachten Daten so nahe wie möglich kommt. In Zucker ausgedrückt: Wenn ich exakt 20 Gramm Zucker in meinem Kaffee haben möchte, die Zuckerwürfel wiegen aber jeweils 3 Gramm, dann muss ich ein zusätzliches Gramm an Zucker in Kauf nehmen, denn das Vielfache von 3 Gramm, das den 20 Gramm am nächsten kommt, sind 21 Gramm. Für mich und meinen Kaffee wird dieses Gramm kaum ins Gewicht fallen, wesentlich komplexer verhält es sich jedoch bei der Sensorik von Drohnen oder autonomen Autos. Hier errechnet sich der Kompromiss auf komplexeren Wegen, und je nach Anwendungsfall sieht dieser Kompromiss anders aus: Ob sich eine Drohne nur alle 5 Sekunden darum kümmert, ihre exakte Position zu teilen, oder alle 20 Sekunden, ist eine Frage, die zahlreichen Einflussfaktoren unterliegt. Entsprechend sorgsam muss der Kompromiss errechnet werden.
Das Anliegen von Frau Klein, Herrn Kiekenap und Herrn Al-Shatri bestand darin, die Quantisierung derart zu gestalten, dass sie sich den Anforderungen der Datenübertragung, sowie den zur Verfügung stehenden Ressourcen anpasst. Vergleichbar ist das mit einem Fahrstuhl, der nur in den Etagen hält, in denen auch Menschen erwartet werden.
Empfohlen wird eine gesamtheitliche Betrachtung von Kommunikations- und Regelungssystemen
Mit der Etablierung von 5G wird der Datenverkehr erheblich steigen, nicht nur in der Kommunikation von Mensch zu Mensch, sondern auch von Maschine zu Maschine. Besonders im Falle der Industrie 4.0, wo mannigfache Sensoren zum Einsatz kommen, wird die Balance zwischen Quantität und Qualität der Daten zu einem entscheidenden Faktor. Insbesondere dann, wenn viele Sensoren auf engen Raum existieren, bedarf es einer Technologie, die den Datenverkehr der Sensoren sicherstellt. 5G kann das. Auch bietet 5G neue Forschungsanreize, und nicht zuletzt einen neuen Diskurs über Bandbreiten und deren optimale Nutzung. Quantisiert werden muss nach wie vor, vielleicht sogar mehr denn je, denn wo Daten anfallen, da muss übertragen werden.
Wer sich für Quantisierung und ihrer mathematischen Modellierung interessiert, und wie eine Quantisierung bei vernetzten Drohnen realisiert wird, findet weitere Antworten: im Paper von Kilian Kiekenap, Hussein Al-Shatri und Anja Klein
K. Kiekenap, H. Al-Shatri and A. Klein, „Trade-Off Between Measurement Accuracy and Quantization Precision for Minimum Bayes Risk in Wireless Networked Control Systems,“ SCC 2019; 12th International ITG Conference on Systems, Communications and Coding, Rostock, Germany, 2019