Coole Technik
Einfrieren unter dem Lichtmikroskop
18.06.2019 von Hildegard Kaulen
Professor Thomas Burg friert lebende Zellen und Organismen ohne Zeitverzögerung unter dem Lichtmikroskop ein. Sein Ziel: eine bessere Verbindung von Licht- und Elektronenmikroskopie.
Der etit-Professor liebt Extreme. Seine Untersuchungsobjekte sind extrem klein, extrem kalt und extrem schwierig darzustellen. ist seit einigen Monaten Professor an der TU Darmstadt und leitet am Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik das Fachgebiet „Integrierte Mikro-Nano-Systeme“. Er will die Untersuchung zellulärer Prozesse entscheidend voranbringen, denn das Leben ist nicht statisch, sondern dynamisch. Dafür müssen Licht- und Elektronenmikroskopie allerdings noch besser ineinandergreifen als bisher, damit die Vorteile beider Verfahren ohne jede Zeitverzögerung zum Tragen kommen. Dem Europäischen Forschungsrat ERC ist Burgs Forschung in den kommenden fünf Jahren rund zwei Millionen Euro wert. Thomas Burg
Die Lichtmikroskopie untersucht lebende Zellen und Organismen. Dabei können bestimmte Moleküle gezielt mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert und hervorgehoben werden. Allerdings ist die Auflösung der herkömmlichen Fluoreszenz-Lichtmikroskope aufgrund der Wellennatur des Lichts auf etwa 200 Nanometer begrenzt. Zwar kann man seit kurzem mit einem Trick auch höhere Auflösungen erreichen, aber eine detaillierte Strukturaufklärung im Bereich von 0,1 bis 10 Nanometern ist derzeit nur mit der Elektronenmikroskopie möglich. Dafür müssen die Zellen und Organismen fixiert werden. Ganz ohne Schaden gelingt dies nur mit der Kryofixierung. Bei diesem Verfahren werden die Proben blitzschnell auf Temperaturen unter minus 135 Grad Celsius gekühlt. Nur so behält das Wasser seine glasartige, ungeordnete Struktur. Die zellulären Strukturen bleiben wegen der ausbleibenden Eisbildung dabei weitestgehend erhalten.
Transferschritt sorgt für Verzögerung
„Wer dynamische Vorgänge beobachten will, hat allerdings ein Problem“, sagt Burg, der vor seinem Wechsel an die TU Darmstadt zehn Jahre lang eine Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen geleitet hat. „Die im Lichtmikroskop betrachteten Proben müssen für die Kryofixierung umgelagert werden. Es gibt also einen Transferschritt. Der manuelle Transfer dauert manchmal Minuten, je nachdem wie schnell jemand arbeitet. Der automatisierte Transfer dauert ein bis fünf Sekunden. Es bleibt also immer eine zeitliche Lücke zwischen dem letzten Blick auf den dynamischen Prozess im lebenden Objekt unter dem Lichtmikroskop und dem schockgefrorenen Zustand im kryofixierten Objekt. Es fehlt also immer ein Stück der Reaktionskette.“
Burg will die Zellen und Organismen daher direkt unter dem Lichtmikroskop einfrieren, um sie dann im schockgefrorenen Zustand mit der Licht- und Elektronenmikroskopie zu untersuchen. Dafür muss die Wärme blitzschnell entzogen und die Probe zur weiteren Untersuchung ununterbrochen auf unter minus 135 Grad Celsius gekühlt werden, damit sich die Wassermoleküle nicht doch langsam zu Eiskristallen zusammenfinden und die empfindliche Struktur zerstören.