Vom drahtlosen Sensornetzwerk bis zur Medizin-App

Michael Muma entwickelt neue Methoden der robusten Signalverarbeitung

31.01.2018 von

Derzeit tragen zehn herausragende junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Darmstadt den Titel „Athene Young Investigator“ (AYI). Einer davon ist Michael Muma vom Fachgebiet Signalverarbeitung von Professor Abdelhak Zoubir.

Muma forscht seit 2009 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Darmstadt. Bild: Hagen Schmidt
Muma forscht seit 2009 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Darmstadt. Bild: Hagen Schmidt

Das Weihnachtsgeschenk kam Anfang Dezember. Der Beitrag „Robust Estimation in Signal Processing“ von Abdelhak M. Zoubir, Visa Koivunen, Yacine Chakhchoukh und Michael Muma wird mit dem „Best Paper Award 2017“ des IEEE Signal Processing Magazine ausgezeichnet. Das Magazin ist das Flaggschiff des „Institute of Electrical and Electronics Engineers“ (IEEE), des in New York ansässigen weltweiten Berufsverbandes von Ingenieuren aus der Elektro- und Informationstechnik. „Das ist ein bedeutender Preis in der Fachwelt“, freut sich Michael Muma. Daher wundert es nicht, dass der junge Deutsch-Amerikaner unterdessen vom Europäischen Verband für Signalverarbeitung (EURASIP) als Mitglied in eines der „Special Area Teams“ gewählt wurde – ein Kreis, in dem sich bisher nur ausgewählte Professoren finden. „Eine große Ehre, dass ich schon dabei sein kann“, sagt der 36-Jährige. Professor will Michael Muma noch werden, Athene Young Investigator der TU Darmstadt ist er schon seit Oktober 2017 – und seine Erfolgsliste ist bereits lang.

Muma forscht seit 2009 als wissenschaftlicher Mitarbeiter über robuste Statistik am Fachgebiet Signalverarbeitung am Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Darmstadt. 2014 promovierte er mit Auszeichnung zum Thema „Robust Estimation and Model Order Selection for Signal Processing“. Fasziniert ist er „von den vielen Anwendungsmöglichkeiten“. Die reichen von Audio- und Kamerasensornetzwerken über die Automobilindustrie bis zur Medizintechnik, einem von Mumas Schwerpunkten. Klassische Methoden der Signalverarbeitung basieren oftmals auf Annahmen für Daten oder Messungen, die in der Simulation optimal funktionieren, in der Praxis aber einen hohen Leistungsabfall oder sogar Totalausfall zeigen können. Die robuste Statistik entwickelt hingegen Verfahren, die Ausreißern oder Modelabweichungen standhalten. Mit robuster Signalverarbeitung lässt sich beispielsweise bei bestimmten elektronischen medizinischen Messungen der Hirndruck vorhersagen, der ein wichtiger Anhaltspunkt bei der Behandlung von Patienten mit schweren Hirnschäden ist. „Wenn der Hirndruck für nur zehn Minuten vorhergesagt werden könnte, wäre das ein enormer Gewinn für die Patientenüberwachung im Krankenhaus“, sagt Muma.

Eine seiner fünf Doktorandinnen und Doktoranden, die er als Athene Young Investigator betreut oder ko-betreut, hat kürzlich erfolgreich ihre Doktorarbeit zum Thema akustische Sensornetzwerke abgeschlossen. Sie hat Algorithmen entwickelt, die dazu beitragen, die Anteile einer bestimmten Schallquelle aus dem Gemisch des Störschalls zu extrahieren. Dies könnte etwa für Nutzer von Hörgeräten künftig eine ganz erhebliche Verbesserung der Hörqualität bedeuten. Sogar die Psychologie braucht unterdessen hochkomplexe Signalverarbeitungsverfahren. Eine weitere Doktorandin untersucht mithilfe am Körper angebrachter Sensoren, wie der Mensch auf Emotionen reagiert. „Gute Doktoranden“, betont Muma, „sind sehr wichtig für die eigene Forschungsarbeit.“

Das von Michael Muma und seinem Doktoranden Tim Schäck betreute Studenten-Team der TU Darmstadt gewann 2015 den internationalen IEEE Signal Processing Cup, ein renommierter Wettstreit, bei dem über 50 Teams aus der ganzen Welt antreten. Das Wettbewerbsthema war die Herzfrequenzschätzung bei körperlicher Belastung. Über kleine optische Sensoren an einer Uhr, einem Fitness-Armband oder Mobiltelefon lassen sich Vital-Parameter wie Blutdruck oder arterielle Steifigkeit, sprich der Zustand der Gefäße, ermitteln.

Erst im Januar 2018 haben Michael Muma und sein Team eine Erfindungsmeldung eingereicht, bei der nun geprüft wird, ob sie patentierbar ist. Beteiligt war das TU-Team an einer Anwendung, die für internationales Aufsehen gesorgt hat. Das niederländische Startup-Unternehmen Happitech hat eine App fürs Handy auf den Markt gebracht, die mittels optischer Sensoren Herzrhythmus und Rhythmusstörungen erkennen kann. Die Nutzer müssen dafür den Finger auf die Handykamera legen. „In diesem Algorithmus steckt unsere Intelligenz mit drin“, betont Muma. Derzeit läuft in Zusammenarbeit mit Krankenhäusern in den Niederlanden die klinische Überprüfung, ob die optischen Sensoren und die Handy-App klinisch akkurate Messwerte liefern.

Im Sommer nutzt der 36-Jährige den Athene-Young-Investigator-Status für einen zweimonatigen Forschungsaufenthalt in Finnland. „Die Aalto Universität in Helsinki ist führend in der robusten Signalverarbeitung“, sagt Muma, der schon einen Teil seiner Studienzeit an der Queensland University of Technolgy in Australien verbracht hat. Frau und Kinder begleiten ihn übrigens nach Finnland – auch das ermöglicht das Förderprogramm. Bei seiner Rückkehr kann er sich auf das Erscheinen des ersten Buches über robuste Signalverarbeitung freuen, das Ende 2018 beim Verlag Cambridge University Press herauskommt. Michael Muma ist einer der vier Autoren.